Als “Haben-will-Virus”, kurz HWV, wird im Zusammenhang mit dem Dampfen das Phänomen beschrieben, dass viele Dampfer sich immer wieder neue Geräte, Liquids und Aromen anschaffen, obwohl sie diese nicht unbedingt brauchen würden. Einige Theorien, woher der HWV kommt, finden sich in diesem Artikel.

Der HWV beim Dampfen

Wer das Dampfen für sich entdeckt hat, wird inzwischen schon beim ersten Kontakt von der Produktvielfalt geradezu erschlagen – und täglich kommt Neues dazu. Die Infos zu Neuerscheinungen prasseln dabei von allen Seiten ein: beispielsweise in Facebook-Gruppen, Youtube-Videos oder dem Newsletter des Dampfshops deines Vertrauens bekommst Du regelmäßig Informationen zu den neusten Verdampfern, Akkuträgern oder auch Liquids.

Von vielen Dampfern hört man immer wieder, dass sie sich diese Produkte auch bestellen – obwohl sie eigentlich schon alles haben, was sie zum Dampfen benötigen. Was für einen Außenstehenden erst einmal etwas absurd klingt, ist für die meisten Dampfer total nachvollziehbar und die normalste Sache der Welt. Aber wie kommt es eigentlich dazu?

Was steckt hinter dem HWV?

In diesem Absatz findest Du ausschließlich Theorien, da es unseres Wissens bisher keine wissenschaftlichen Untersuchungen zu dem Thema gibt. Die Reihenfolge soll dabei bitte nicht als Wertung zu verstehen sein, dass wir diese oder jene Erklärung für wahrscheinlicher halten.

Das Hirn möchte Ausgleich für das fehlende Nikotin

Vielleicht hast du es selbst schon erlebt oder aber zumindest schon einmal davon gehört: viele Raucher, die mit dem Rauchen aufhören nehmen zu. Dabei handelt es sich auch nicht nur um einen verbreiteten Eindruck, sondern dies wurde in Erhebungen schon in der 1970er und 1980er Jahren belegt.¹

Dies liegt wohl zum einen daran, dass der Kalorienverbrauch des Körpers im Ruhezustand bei Rauchern höher ist und die aufgenommene Kalorienmenge nicht angepasst wird.² Zum anderen legt eine Studie³ nahe, dass die Hirne von Rauchern eine abgeschwächte Funktion zur Dopaminproduktion im Vergleich zu Nicht-Rauchern haben. Dies normalisiert sich erst einige Zeit nach dem Rauchstopp wieder.

Der Kauf von Dingen entfaltet eine vergleichbare Wirkung im Belohnungszentrum des Gehirns. Während der eine sein Hirn also mit Essbarem besänftigt, tut ein anderer dies möglicherweise indem er sich etwas Neues für seine E-Zigarette zulegt.

Der Geschmackssinn ist wieder da

Wer mit dem Rauchen aufhört (und ggf. aufs Dampfen umsteigt), merkt meist schon nach wenigen Tagen, dass Geschmäcker wieder deutlich intensiver wahrgenommen werden. Von diesem Fakt ausgehend halten wir sogar zwei Erklärungen für möglich:

  1. Der Dampfer möchte dies – im wahrsten Sinne des Wortes – in vollen Zügen auskosten und versucht immer noch mehr Geschmack aus dem Dampf heraus zu kitzeln. Ob mit Hilfe neuer Geräte oder durch neue Aromen ist dabei relativ egal, solange das Geschmackserlebnis stimmt.
  2. Unser Hirn könnte aber auch hier wieder entscheidend beteiligt sein. Vielleicht sorgen die plötzlich wieder sehr klar wahrnehmbaren Geschmäcker dafür, dass das Hirn nach mehr verlangt. Schließlich hat es im Laufe der Evolution gelernt, dass das, was gut schmeckt auch gut für sich und seinen Körper ist und verzehrt werden sollte, solange es verfügbar ist. Das inzwischen fast alles so gut wie immer verfügbar ist und das Hirn im Falle des Dampfens von Aromen getäuscht wird, ist uns zwar völlig klar, aber dieses Wissen hat es eben noch nicht in die Bereiche unseres Hirns geschafft, die für den „Grundbetrieb“ unseres Körpers zuständig sind.

Die Sammelleidenschaft wurde (wieder) entfacht

Hast du als Kind Sticker gesammelt und versucht dein Album voll zu bekommen? Oder sammelst Du jetzt vielleicht antike Werkzeuge, Lippenstifte oder irgendwelche anderen Dinge? Dann dürfte es für dich auch nicht ganz abwegig klingen, dass einige Menschen einfach eine Sammelleidenschaft für Dinge entwickelt haben, die mit E-Zigaretten zu tun haben.

Als Ex-Raucher fühlt man sich plötzlich reich

Die Überschrift übertreibt natürlich ein wenig, aber ganz aus der Luft gegriffen ist sie auch nicht. Als starker Raucher, der nicht selbst dreht oder stopft kann man monatlich schnell mehrere hundert Euro für die Glimmstengel ausgeben.

Beim Dampfen hingegen kann man mit ein paar Euro im Monat problemlos auskommen (s. Was kostet dampfen?), wenn die „Grundausrüstung“ einmal vorhanden ist. Wenn so dann monatlich beispielsweise 200€ mehr auf dem Konto sind, merkt man das schon. Dadurch fällt es dann vielleicht einfach etwas leichter dieses Geld auch auszugeben, wenn man etwas entdeckt, dass sich ganz spannend anhört und das man gerne einmal ausprobieren möchte.

Ist der HWV also gar keine Krankheit?

Auch wenn der Name klingt, als würde es sich tatsächlich um etwas handeln, dass von irgendwelchen Erregern ausgelöst wird, ist das natürlich nicht der Fall.

Allerdings sollte sich jeder, der eine gewisse Zeit in seinem Leben geraucht hat klar darüber sein, dass er mehr oder minder stark anfällig für Suchtverhalten ist. Man hört das zwar überhaupt nicht gerne, aber zumindest jeder Ex-Raucher, der ganz ehrlich zu sich ist wird dem zustimmen.

Daher sollte man auch als Dampfer immer aufpassen, dass man bei dem Versuch die Nikotinsucht zu überwinden nicht plötzlich nur zu einer anderen Form der Sucht wechselt.

Einzelnachweise

¹ David F. Williamson, M.S., Ph.D., Jennifer Madans, Ph.D., Robert F. Anda, M.D., M.S., Joel C. Kleinman, Ph.D., Gary A. Giovino, Ph.D., and Tim Byers, M.D., M.P.H.: Art. „Smoking Cessation and Severity of Weight Gain in a National Cohort“, in: The New England Journal of Medecine, 324:739-74, 1991; Online einzusehen unter: https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJM199103143241106 (letzter Zugriff 13.10.2019).

² Filozof, C. , Fernández Pinilla, M. C. and Fernández‐Cruz, A.: Art. „Smoking cessation and weight gain“, in: Obesity Reviews, 5: 95-103, 2004; Online einzusehen unter: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/j.1467-789X.2004.00131.x (letzter Zugriff 13.10.2019).

³ Lena Rademacher, Susanne Prinz, Oliver Winz, Karsten Henkel, Claudia A. Dietrich, Jörn Schmaljohann, Siamak Mohammadkhani Shali, Ina Schabram, Christian Stoppe, Paul Cumming, Ralf-Dieter Hilgers, Yoshitaka Kumakura, Mark Coburn, Felix M. Mottaghy, Gerhard Gründer und Ingo Vernaleken; Art. „Effects of Smoking Cessation on Presynaptic Dopamine Function of Addicted Male Smokers“, in: Biological Psychiatry, Band 80, Ausgabe 3 (2016); Online einzusehen unter: https://www.biologicalpsychiatryjournal.com/article/S0006-3223(15)00962-2/abstract (letzter Zugriff: 13.10.2019).

⁴ Heidi Hartston Ph.D.: Art.: „The Case for Compulsive Shopping as an Addiction“, in: Journal of Psychoactive Drugs, 44:1, 64-67, 2012; Online einzusehen unter: https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/02791072.2012.660110 (letzter Zugriff: 13.10.2019).